Ehrenamt des Monats: „Große Geschichte – im Kleinen bewahrt“
Seit über 20 Jahren engagiert sich Jörg Wiegank bei der Bergbrüderschaft „Schneeberger Bergparade“ e. V. mit Herz und Hand für den Erhalt der bergmännischen Traditionen und des Brauchtums. Warum er für sein Schaffen nicht ohne Pinsel und Fräsmaschine auskommt und es bei ihm eher auf filigrane Fertigkeiten ankommt? Seien Sie gespannt...
Bis ins 14. Jahrhundert reicht die Bergbaugeschichte um Schneeberg-Neustädtel zurück. Sie liegt Jörg Wiegank besonders am Herzen. Bei der Bergbrüderschaft „Schneeberger Bergparade“ e. V. war er mehr als zehn Jahre im Vorstand aktiv und engagiert sich auch darüber hinaus umfassend für den Verein. Gemeinsam mit seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern legt er bei Arbeitseinsätzen Hand an, denn die insgesamt sieben bergbaulichen Objekte und Schauanlagen, die der Verein betreut, wollen gepflegt sein. Im historischen Habit beteiligt er sich an bergmännischen Aufwartungen, Bergparaden und Mettenschichten.
Sein eigentliches „Steckenpferd“ ist aber die Minibergbauheimat auf der Fundgrube Gesellschaft. Mit insgesamt 54 originalgetreuen Gebäuden ist sie weit und breit die einzige ihrer Art, die sich speziell auf das Thema Bergbau konzentriert und damit eine der Hauptattraktionen auf dem Lehrpfad rund um die Bergstadt. Entstanden sind die ursprünglich aus Holz gefertigten Modelle im Zeitraum von 2006 bis 2009 im Rahmen eines geförderten Projekts zur Teilhabe junger Menschen mit und ohne Behinderung, getragen durch den CVJM Schneeberg-Neustädtel e. V. Bereits zu diesem Zeitpunkt hat Jörg Wiegank den Bau begleitet und unterstützt. Auf insgesamt 180 m² sind die Fundgruben, deren Halden, die bedeutendsten bergbautechnischen Anlagen und historischen Gebäude des traditionsreichen Bergbaureviers nachgestellt. Vom Frühjahr bis in den Herbst ist die Anlage geöffnet. Mit der Zeit wurde der Aufwand für Instandhaltung, Pflege und Reparatur aufgrund äußerer Witterungseinflüsse so hoch, dass gemeinsam entschieden wurde, die Miniaturen peu à peu aus Kunststoff neu zu bauen.
Das Engagement rund um die Minibergbauheimat weiß auch Bürgermeister Ingo Seifert zu schätzen: „Für uns als Bergstadt ist die Erhaltung der Modelle und der Miniaturlandschaft überaus bedeutsam, weil sie sich einerseits hervorragend eignet, um heimatgeschichtliches Wissen zu vermitteln, aber auch weil sich das Kleinod zu einem touristischen Anziehungspunkt entwickelt hat. Wir sind Jörg Wiegank außerordentlich dankbar, dass er die Objekte in seine fachkundige Obhut genommen hat.“
2021 hat das Projekt den Ehrgeiz des gelernten Tischlers erneut geweckt. Bis zu 35 Stunden pro Woche verbringt er in der Werkstatt, um die Modelle aus Kunststoff nachzubauen. Es wird gefräst, geschnitten, gemalt, aber auch in alten Dokumenten recherchiert – schließlich sollen detailgetreue Nachbauten nach historischem Vorbild entstehen. Wie viel Leidenschaft Jörg Wiegank in die Miniaturen steckt, lässt sich auch anhand einiger Zahlen deutlich machen: Über die Hälfte der 54 Gebäude hat er in den vergangenen vier Jahren bereits fertiggestellt. Allein in den Nachbau des Siebenschlehener Pochwerks sind mehr als 500 Stunden geflossen. Mit dem Beust-Schacht hat Jörg Wiegank sein wohl bisher ehrgeizigstes Objekt in Arbeit: Insgesamt 12.612 Ziegel hat er für die Natursteinfundamente aus dem Kunststoff modelliert und von Hand bemalt. In einem Haus des aus mehreren Gebäuden bestehenden Ensembles stecken fast 350 Arbeitsstunden. Jedes Modell ist ein Unikat im Maßstab 1:25. Spätestens Anfang Mai zur Eröffnung der Bergbau-Miniaturlandschaft soll alles fertig sein. Dazu muss aber auch das Außengelände der Anlage noch hergerichtet werden.
„Mit seinem unermüdlichen Einsatz leistet Jörg Wiegank einen außerordentlich wertvollen Beitrag zur Erhaltung und nachhaltigen Sicherung der Schneeberger Bergbaugeschichte.“, würdigt Landrat Rico Anton die Arbeit des 63-jährigen. „Die Miniaturlandschaft zeigt eindrucksvoll, welches Ausmaß die Suche nach Bodenschätzen über Jahrhunderte genommen hat. Ein Teil unseres montanhistorischen Erbes wird damit erlebbar.“
Stellvertretend für alle Vereinsmitglieder der Bergbrüderschaft „Schneeberger Bergparade“ e. V., die sich um den Erhalt der Bergbauminiaturlandschaft verdient machen, wurde Jörg Wiegank für sein herausragendes und beispielhaftes Engagement zur Pflege bergbaulicher und hüttenmännischer Traditionen mit dem „Ehrenamt des Monats April“ ausgezeichnet. Er erhielt von der Fachstelle Ehrenamt des Erzgebirgskreises eine Urkunde, die erzgebirgische Holzfigur „HelD“ (Helfen und Danken) sowie eine Einladung zum Großen Regionalpreis des Erzgebirgskreises ERZgeBÜRGER.
Um ein noch besseres Bild von seiner Arbeit zu bekommen, hat die Fachstelle Ehrenamt mit ihm das nachfolgende Interview geführt.
Welchen persönlichen Bezug haben Sie zum Bergbau und wie ist es zu Ihrem Engagement bei der Bergbrüderschaft „Schneeberger Bergparade“ e. V. gekommen?
Herr Wiegank: „Ich bin in Bad Schlema aufgewachsen. Mein Vater war Kumpel bei der Wismut. Er wollte aber nicht, dass sein Sohn auch einfährt und so habe ich mich für eine Ausbildung zum Tischler entschieden. Seit 1990 wohne ich im ehemaligen Steigerhaus auf der Fundgrube ‚Sauschwart‘ in Schneeberg. Im Zuge der Sanierung der Kaue, bin ich von unserem heutigen Vorsitzenden Ray Lätzsch angesprochen worden, ob ich mir vorstellen könnte im Verein mitzuwirken.“
Wie kam es zu der Idee eine Bergbau-Miniaturlandschaft zu bauen?
Herr Wiegank: „Zum Zeitpunkt als die Idee entstanden ist, habe ich beim CVJM Schneeberg-Neustädtel e. V. gearbeitet. Mein damaliger Chef Armin Georgi hat mich nur gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, im Rahmen eines Projekts Kinder sowie Jugendliche mit und ohne Behinderung zu betreuen und mit ihnen gemeinsam Modellhäuser zu bauen. Dass es Nachbauten bedeutender Bergbauzeugnisse werden sollen, habe ich erst später erfahren.“
Hatten Sie schon immer einen Faible für den Modellbau?
Herr Wiegank: „Meine ersten Berührungspunkte mit dem Modellbau hatte ich tatsächlich erst, als wir im Zuge des Projekts begonnen haben die Minibergbauheimat zu bauen.“
Stichwort Traditionsbewusstsein: Haben Sie sich schwer damit getan, dass die neuen Miniaturen aus Kunststoff angefertigt werden sollen?
Herr Wiegank: „Anfangs schon, weil mir viel daran liegt, dass detailgetreue Nachbauten nach historischem Vorbild entstehen. Ich hätte nicht gedacht, dass das mit Kunststoff möglich ist. Aber es funktioniert und bei all der Arbeit, die in den Modellen steckt, bin ich froh, dass wir eine witterungsbeständige Lösung gefunden haben.“
Wie groß war die Herausforderung für Sie als gelernten Tischler?
Herr Wiegank: „Zuerst werden die Modelle auf Maß geschnitten und gefräst. Die eigentliche Herausforderung beginnt mit dem Herausarbeiten der Details und mit dem Schnitzen des Kunststoffs. Auch die Suche nach dem richtigen Kleber war eine Herausforderung. Am besten bewährt hat sich ausgerechnet wasserfester Holzleim. Hätte mir vorher jemand gesagt, dass sich dieser ausgerechnet für Kunststoff im Außenbereich eignet – ich hätte ihn für verrückt erklärt. Aber man lernt auch als Tischler nie aus.“
Was braucht es neben handwerklichem Geschick und Zeit noch?
Herr Wiegank: „Viel Zeit und vor allem Geduld. Für das Bemalen von Ziegeln und Natursteinen brauche ich mittlerweile eine Lesebrille. Außerdem bedarf es einer guten Vorbereitung. Als wir angefangen haben die Modelle aus Kunststoff neu zu bauen, konnte ich auf die Vermessungen und Recherchen aus dem CVJM-Projekt zurückgreifen – ohne diese Vorarbeiten wäre der Aufwand noch wesentlich größer gewesen.“
Gibt es Momente in denen man mit seiner Geduld an Grenzen kommt?
Herr Wiegank: „Wenn man sieben Stunden am Stück Natursteinsockel oder Ziegelwände bemalt hat, kann man sie manchmal nicht mehr ersehen. Monotone Arbeiten, die nicht enden wollen, bringen einen manchmal an Grenzen.“
Die Bergbau-Miniaturlandschaft wird auf lange Zeit mit Ihrem Wirken verbunden sein. Was bedeutet das für Sie persönlich?
Herr Wiegank: „Die Miniaturlandschaft ist mir ans Herz gewachsen. Bei der ganzen Arbeit und den unzähligen Stunden, die darin stecken, wünsche ich mir manchmal, dass auch der eine oder andere Besucher etwas mehr Rücksicht walten lässt und den gebotenen Abstand zu den Modellen einhält. Mein großes Ziel ist es alle 54 Gebäude fertig zu bekommen.“
Quelle: Fachstelle Ehrenamt / wu