Sondersitzung des Kreistages
Am Mittwoch (13. November 2024) kamen die Kreisrätinnen und Kreisräte des Kreistages des Erzgebirgskreises bereits zu ihrer 4. Sitzung der laufenden Wahlperiode zusammen. Diese Sitzung fand als außerplanmäßige Sondersitzung statt, die erforderlich geworden war, nachdem Landrat Rico Anton drei ablehnenden Beschlüssen der vorangegangenen Kreistagssitzung vom 23. Oktober 2024 wie angekündigt widersprochen hatte. Dieser Widerspruch war aus Sicht von Landrat und Landkreisverwaltung zwingend erforderlich, da es sich bei den zu fassenden Beschlüssen um Pflichtaufgaben gem. § 2 Abs. 2 Sächsische Landkreisordnung (SächsLKrO) gehandelt hat, deren Ablehnung rechtswidrig war. Daher war der Landrat als Leiter der Landkreisbehörde gem. § 48 Abs. 2 SächsLKrO gesetzlich zum Widerspruch verpflichtet.
Vor diesem Hintergrund standen nach der Eröffnung der Sitzung durch den Vorsitzenden lediglich 5 weitere Tagesordnungspunkte in öffentlicher Sitzung zur Diskussion und Beschlussfassung. Konkret eben jene drei im Rahmen der Oktobersitzung des Kreistages abgelehnten Beschlüsse zu überplanmäßigen Aufwendungen/ Auszahlungen für den Vollzug des zweiten, achten und zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB II, SGB VIII, SGB XII), sowie ein fraktionsübergreifender Antrag im gleichen Kontext. Unter dem Tagesordnungspunkt Informationen und Sonstiges informierte die Landkreisverwaltung lediglich zur planmäßigen Aufnahme eines Investitionskredits.
Kreistagsfraktionen fordern auskömmliche Finanzierung durch Bund und Land
Nachdem in der vorangegangenen Sitzung des Kreistages bereits zahlreiche Kreisrätinnen und Kreisräte fraktionsübergreifend die Finanzpolitik des Bundes und teilweise auch des Landes bei der Finanzierung von Sozialleistungen kritisiert hatten, die der Landkreis als Pflichtaufgaben erfüllen muss, folgte nunmehr ein entsprechender Antrag zu diesem Thema. Hierbei beauftragten die antragsstellenden Fraktionen – CDU/FDP, Freie Wähler und BSW – den Landrat, dass dieser die Bundes- und Landesregierung auffordern solle, die durch Bundes- und Landesgesetze vom Erzgebirgskreis zu leistenden Aufgaben in den Bereichen SGB II, SGB VIII und SGB XII dauerhaft und auskömmlich durch Steuermittel auszugleichen. Sprich die Gegenfinanzierung der übertragenen Aufgaben solle vollumfänglich gewährleistet werden. Landrat Anton betonte in seinem Statement, dass er bereits seit langem dafür plädiere, dass derjenige, der eine (Sozial-) Leistung etabliert, diese auch finanzieren müsse. Insofern unterstütze er den fraktionsübergreifenden Antrag ausdrücklich! Die anwesenden Kreisrätinnen und Kreisräte folgten diesem Ansinnen und stimmten dem eingebrachten Antrag mit übergroßer Mehrheit zu.
Beschlüsse zu überplanmäßigen Aufwendungen erneut nicht gefasst
Wie in der Oktobersitzung bereits thematisiert, bekräftigten nahezu alle im Kreistag vertretenen Fraktionen ihre ablehnende Haltung zu den zu fassenden Beschlüssen. Zuvor hatte der u. a. für den Bereich „Soziales“ zuständige Abteilungsleiter Frank Reißmann nochmals kurz die Hintergründe der eingebrachten Beschlussvorlagen erläutert. Auch er betonte noch einmal, dass es sich bei den zu erbringenden Leistungen um Pflichtaufgaben handelt, die aus der Sozialleistungsgesetzgebung des Bundes resultieren. Die Landkreisverwaltung ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verpflichtet, die vom Gesetzgeber übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Die Behörde hat keinen eigenen Ermessensspielraum bei der Anwendung der gesetzlichen Vorgaben.
Dies bekräftigte auch Landrat Anton, der vor der eigentlichen Abstimmung nochmals die Rechtsfolgen einer etwaigen Ablehnung der erneut zur Abstimmung gestellten Beschlussvorlagen erläuterte. Demnach sei er in seiner Funktion als Leiter der Landkreisbehörde gem. § 48 Abs. 2 SächsLKrO gesetzlich verpflichtet, diesen ablehnenden Beschlüssen erneut zu widersprechen, da diese rechtswidrig seien, so Landrat Anton.
Gemäß dem gesetzlich vorgegebenen Prozedere wird es in der Folge eines erneuten Widerspruchs zeitnah zu einer Entscheidung der Rechtsaufsichtsbehörde des Landratsamtes Erzgebirgskreis, der Landesdirektion Sachsen (LDS), in dieser Angelegenheit kommen. Dabei ist davon auszugehen, dass die LDS die Genehmigung der überplanmäßigen Aufwendungen/ Auszahlungen anweist. Landrat Anton wird sich zum gesamten Sachverhalt mit der Rechtsaufsichtsbehörde abstimmen.
Im Ergebnis der vorangegangenen Diskussion, die mit einem Geschäftsordnungsantrag auf Abbruch der Debatte endete, mussten die Damen und Herren Kreisräte erneut über drei Beschlussvorlagen der Landkreisverwaltung entscheiden, die die in Rede stehenden Kostensteigerungen im Sozialleistungsbereich im laufenden Haushaltsjahr 2024 betrafen. Konkret ging es dabei nochmals um überplanmäßige Aufwendungen/Auszahlungen für den Vollzug des zweiten, achten und zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB II, SGB VIII, SGB XII) mit einem Gesamtkostenvolumen von ca. 14,9 Mio. EUR. Diese Mehrkosten setzen sich aus verschiedenen Kosten:
im Zusammenhang mit der Unterbringung von ukrainischen Flüchtlingen in Höhe von ca. 2,9 Mio. EUR (SGB II)
im Bereich Jugendhilfe in Höhe von ca. 6,93 Mio. EUR (SGB VIII)
in der Sozialhilfe (Pflege, Hilfe zum Lebensunterhalt, Krankenhilfe)in Höhe von ca. 5,05 Mio. EUR (SGB XII)
Die übergroße Mehrheit der Kreisräte folgte der von der Landkreisverwaltung beantragten Genehmigung überplanmäßiger Aufwendungen/Auszahlungen nicht und verweigerte somit erneut ihre Zustimmung.
Die nächste reguläre öffentliche Sitzung des Kreistages des Erzgebirgskreises findet am 18. Dezember 2024 statt. Die Termine der dem Kreistag vorgelagerten Ausschüsse sind dem Rats- und Bürgerinformationssystem des Erzgebirgskreises Link zu entnehmen.
SP