Ehrenamt des Monats: Junger Tierschützer rettet gefiederte Haustiere
Jonas Wagler betreibt in Jöhstadt seine eigene kleine Auffangstation, vorrangig für Tauben und Hühner. In seiner Freizeit rettet er verletzte, kranke oder ausgediente Tiere; pflegt sie und ermöglicht ihnen artgerecht alt zu werden.
Angefangen hat alles mit einem außergewöhnlichen Begehren zum seinem siebenten Geburtstag: Anstatt Fahrrad, Spielkonsole oder Lego wünschte er sich eigene Hühner. 2016 haben Bekannte eine Brieftaube gefunden und bei ihm in Pflege gegeben – irgendwann brauchte diese wiederum Gesellschaft. Sein Hobby wurde damit zur Berufung. Mit gerade einmal 22 Jahren hat sich Jonas Wagler dem Tierwohl verschrieben und kümmert sich mit Hingabe, um vieles was Federn hat.
Insgesamt 450 Vögel, davon 300 Tauben, hat er aktuell in seine Obhut genommen. Auf einer Gesamtfläche von 300 Quadratmetern sind mittlerweile zwei Hühnerställe, mehrere Volieren, ein Taubenschlag und ein Entenstall entstanden, die sich über insgesamt drei Grundstücke verteilen und auch den elterlichen Garten mit in Beschlag nehmen.
Über Mund-zu-Mund-Propaganda und soziale Netzwerke hatte sich schnell herumgesprochen, dass Jonas Wagler verirrte oder verletzte Tauben und ausgediente Legehühner sowie Tiere mit einem Handicap aufnimmt. Oft sind es Brieftauben, die einen Wettflug nicht unbeschadet überstehen. Nicht immer lassen sich deren Besitzer feststellen und wenn haben diese oft wenig Interesse, gestrandete Tiere über große Entfernungen zurück zu holen. Folgerichtig bewohnen auch internationale Gäste seinen Taubenschlag: Ein Vogel stammt aus Ungarn, ein anderer aus Italien.
Nicht selten klingelt das Telefon spät abends, wenn wieder mal ein Tier in Not ist. Erfahrungsgemäß liegt das auch in der der Natur der Sache, da sich Vögel in der Dunkelheit leichter einfangen lassen. Mittlerweile ist Jonas Wagler nicht nur gut vernetzt – auch Tierheime vertrauen auf seine Expertise im Umgang und bei der Pflege von Fundtieren.
Wie ernst es ihm mit dem Tierschutz ist, zeigt sich auch daran, dass er die täglich 15 Kilogramm Körnerfutter und die Baukosten für die Behausungen seiner Vögel weitestgehend aus eigenen Mitteln und mit Hilfe seiner Familie bestreitet. Ab und an erhält er auch Zuwendungen von Dritten – meist in Form von Futterspenden.
„Jonas übernimmt trotz seines jungen Alters schon seit mehreren Jahren sehr viel Verantwortung für den Tierschutz und hat auf diesem Weg auch ein enormes Fachwissen erworben. Dass ihm die Tierheime der Umgebung und auch ausgewiesene Fachleute Tiere anvertrauen, ist ein Zeichen für den guten Ruf, den er sich erarbeitet hat und macht uns als Stadt stolz“, freut sich André Zinn, Bürgermeister in Jöhstadt.
Mittlerweile stößt Jonas Wagler aber mit seiner Auffangstation an Kapazitätsgrenzen. Dafür gibt es mehrere Gründe: Zum einen bleibt er seinem Grundsatz treu, dass die Tiere ihr Gnadenbrot erhalten und bis zu ihrem natürlichen Ende so artgerecht wie möglich leben sollen. Zum anderen sind Tauben und Hühner kaum vermittelbar, wenn sie ein gewisses Alter erreicht oder Einschränkungen haben. Erschwerend kommt hinzu, dass es im Erzgebirgskreis kaum Gleichgesinnte gibt, die sich dem Schutz von Hühnern und Tauben verschrieben haben.
Landrat Rico Anton sieht im Engagement von Jonas Wagler noch einen anderen wichtigen Aspekt: „Das Besondere an seiner Arbeit ist, dass er in gewisser Weise eine Systemlücke füllt: Viele Tierheime sind auf Dauer nicht für die Aufnahme von Tauben und Hühnern ausgelegt und selbst wenn, stünden sie vermehrt vor dem Problem, dass die Erfolgsaussichten die Tiere weiter zu vermitteln gering sind. Insofern sollte unsere Gesellschaft Menschen wie ihm sehr dankbar sein, wenn sie freiwillig Aufgaben übernehmen, die sonst kaum leistbar wären.“
Für sein umfassendes Engagement wurde Jonas Wagler mit dem „Ehrenamt des Monats März“ ausgezeichnet. Er erhält von der Fachstelle Ehrenamt des Erzgebirgskreises eine Urkunde, die erzgebirgische Holzfigur „HelD“ (Helfen und Danken) sowie eine Einladung zum Großen Regionalpreis des Erzgebirgskreises „ERZgeBÜRGER“.
Um ein noch besseres Bild seiner Arbeit zu bekommen, hat Frank Wutzler von der Fachstelle Ehrenamt mit ihm ein ausführliches Interview geführt.
Um das Image von Tauben ist es nicht immer zum Besten bestellt. Sie helfen den Tieren trotzdem?
Herr Wagler: „Ich würde mir tatsächlich wünschen, dass sich unsere Gesellschaft vor Augen führt, dass es sich bei den Stadttauben eigentlich um ausgewilderte Haustiere handelt, die aber Zeit ihres Lebens auf Fütterung angewiesen sind. Ursache ist wie so oft der Mensch, der zu Zuchtzwecken Tiere angesiedelt hat, die bei uns ursprünglich nicht heimisch waren. Im Übrigen ist es auch nicht richtig, dass die Tiere vermehrt Krankheiten übertragen.“
Es gibt eine nette Anekdote aus Ihrer Zeit als Lehrling. Was hat sich da zugetragen?
Herr Wagler: „Meine Berufsschule befand sich in Dresden. Ich habe auch dort Tauben, die ich in der Stadt gefunden habe mit in meine Herberge genommen. Meine Vermieterin war davon weniger begeistert. Am Ende haben wir im Sinne des Tierwohls einen Kompromiss gefunden und ich konnte die Tiere im Innenhof unterbringen, bis ich sie dann am Ende der Woche mit nach Hause zu mir in die Auffangstation genommen habe. Zu dieser Zeit ist auch der Kontakt zur Stadttaubeninitiative Dresden e.V. zu Stande gekommen.“
Wieviel Zeit nimmt die Pflege und die Versorgung der Tiere in Anspruch?
Herr Wagler: „Die Pflege der Vögel, neben den Tauben sind es auch Hühner und Enten, nimmt einen Großteil meiner Freizeit in Anspruch. Die Enten sind aber eher ein Hobby.“
Sie finanzieren Ihre Arbeit fast ausschließlich aus Ihrer eigenen Tasche. Wie hoch schätzen Sie die monatlichen Unterhaltskosten für die Tiere.
Herr Wagler: „Ab und an bekomme ich auch von Dritten Zuwendungen für die Tiere. Meist handelt es sich dabei um Futterspenden. Die Kosten belaufen sich auf fast 300 Euro im Monat. Die Baukosten für die Behausungen der Tiere sind da aber noch nicht dabei.“
Was halten Sie von Brieftaubenwettflügen?
Herr Wagler: „Ich bin offen gesagt kein Fan davon. Die Tiere werden bei Wettbewerben mehrere hundert Kilometer von ihrem Heimatschlag entfernt frei gelassen und müssen den Rückweg finden. Es kommen zu viele Tiere nicht an, weil sie sich verirren, verletzt werden oder entkräftet sind. Es muss bei der Zucht ein Umdenken stattfinden und mehr Wert auf die Gesamtheit der Tiere anstatt auf die Leistung einzelner Tauben gelegt werden.“
Bei den Hühnern ist die Sachlage aber eine andere?
Herr Wagler: „Ja dort ist es oft so, das ausgedienten Legehennen oder verletzten Tieren oft nur der Kochtopf als Perspektive bleibt. Nach meiner Auffassung fehlt an diesem Punkt die Wertschätzung für das Tier als Individuum – es wird nur nach seiner Nicht-Leistungsfähigkeit beurteilt oder besser gesagt verurteilt. Warum soll dieses Tier nicht genauso die Möglichkeit haben, in Würde alt zu werden?“
Gelingt es Ihnen auch Tiere weiter zu vermitteln?
Herr Wagler: „Freie Stellen und Menschen zu finden, bei denen die Tiere artgerecht alt werden können ist schwierig, weil diese sogenannten Endstellen rar sind. Theoretisch kommen für die Vermittlung auch Tierparks in Frage – aber eben nicht zu Futterwecken für andere Tiere.“
Kümmern Sie sich auch um andere Vogelarten?
Herr Wagler: „Ich traue es mir kaum zu sagen aber ich habe in der Vergangenheit auch junge Wildvögel aufgenommen und aufgezogen. Das ist aber mit meiner Arbeit im Einzelhandel kaum vereinbar, da diese quasi rund um die Uhr betreut und gefüttert werden müssen. Das geht nur in Ausnahmefällen, von daher konzentriere ich mich eher darauf erwachsene Tiere wieder aufzupäppeln. Gegenüber den Tauben und Hühnern haben die Wildvögel einen entscheidenden Vorteil: man kann sie wieder auswildern.“
Hatten Sie damit in der Vergangenheit Erfolg?
Herr Wagler: „Ich habe 2022 Stockentenküken aufgezogen und dann auch erfolgreich wieder in die Freiheit entlassen. Das war ein echtes Erfolgserlebnis.“