Ehrenamt des Monats: Mathematiker brachte Generationen kluger Köpfe ins Grübeln
Seit 1981 gibt es den Adam-Ries-Wettbewerb als mehrstufigen Mathematikwettbewerb für die Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe 5 – seit 1992 sogar länderübergreifend. Das Finale der 41. Auflage fand an diesem Wochenende in Annaberg-Buchholz statt. Noch spannender wie das Ergebnis fanden wir die Frage, wer die Engagierten hinter den Kulissen sind, die neben dem mathematischen Kräftemessen auch das Erbe des Rechenmeisters in Ehren halten.
„Wer denkt sich sowas bitte aus?“, mag so manches Mathe-Ass gedacht haben, als er oder sie über den Aufgaben des Adam-Ries-Wettbewerbs grübelte. Peter Haase hob den dreistufigen Wettbewerb mit aus der Taufe. Seit über 40 Jahren widmet er sich der Begabtenförderung junger Mathematiktalente und absolvierte ein schier unglaubliches Pensum insbesondere bei der Erstellung der Aufgaben, die er historisch an Werke von Adam Ries anlehnte. Noch heute ist er auch mit der Begutachtung der Fragestellungen, der Korrektur und organisatorischen Aufgaben betraut. Dass er zur diesjährigen 41. Auflage die Auszeichnung der Preisträgerinnen und Preisträger vornimmt, ist für ihn Ehrensache.
1981 gab es keine Bezirksolympiade im Fach Mathematik für die Klassenstufe fünf und der damalige Bezirk Karl-Marx-Stadt wähnte sich als DDR-weites Schlusslicht bei der Begabtenförderung. Peter Haase war zu dieser Zeit Student an der TU Karl-Marx-Stadt und wurde von seinem Dozenten Dr. Helmut König gebeten, sich ein paar Aufgaben für einen Wettbewerb anzuschauen, den man neu ins Leben gerufen hatte. Seitdem ist der mittlerweile pensionierte Mathematiklehrer eng mit dem Adam-Ries-Wettbewerb verbunden und begleitet ihn seit mehr als vierzig Jahren.
„Ursprünglich war der Wettbewerb als Mannschaftswettkampf des damaligen Bezirks Karl-Marx-Stadt konzipiert und diente mehr der Spitzen- als der Breitenförderung“, blickt Peter Haase in die Vergangenheit.
1991 stand der Adam-Ries-Wettbewerb fast vor dem Aus. Mit den Feierlichkeiten zum 500. Geburtstags des Gelehrten bot sich ein Anlass den Wettbewerb doch noch einmal neu auszuschreiben. Neben Annaberg-Buchholz wurden sowohl Staffelstein als auch Erfurt, als wichtige Stationen seines Lebens mit einbezogen und damit Bayern und Thüringen, ab 1994 auch Tschechien, für einen länderübergreifenden Mathematikausscheid gewonnen. Insbesondere in der Wendezeit war Peter Haase als Mitglied des 1991 neu gegründeten Adam-Ries-Bund e.V. bei der Organisation und Weiterentwicklung des Wettbewerbs federführend.
Von 1991 bis 2013 war er für die Erstellung der Aufgaben aller drei Wettbewerbsstufen allein verantwortlich. Auch ein mehrjähriger beruflicher Exkurs nach Hongkong hielt ihn nicht davon ab den Wettbewerb weiter zu unterstützen – er verschickte die Aufgaben von dort aus per Email an die Mitglieder des Teams vor Ort. Dank ihm hat es das Vermächtnis von Adam Ries bis nach Asien geschafft, da er den Wettbewerb auch an der Schule in Hongkong durchgeführt hat, an der als Lehrer tätig war.
Um sicherzustellen, dass die Aufgabenstellungen aus den vergangenen Jahren nicht verloren gehen und um sie einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, hat Peter Haase das Buch „Adam-Ries-Wettbewerb 1991-2001 – Aufgaben und Lösungen“ verfasst.
Die Auszeichnungsveranstaltung zum Finale des Adam-Ries-Wettbewerbes am Samstag im Landkreis Gymnasium St. Annen bot einen würdigen Rahmen, um neben den Siegern aus den vier Ländern auch die Verdienste von Peter Haase zu würdigen. Landrat Rico Anton hob noch einmal die Bedeutung und Reichweite seines ehrenamtlichen Engagements hervor: „Unser aller Zukunft hängt maßgeblich von der Bildung der nachfolgenden Generationen ab. Über 40 Jahre hat sich Peter Haase für die Begabtenförderung eingesetzt und dazu beigetragen, junge Talente zu fordern und zu fördern. Der Adam-Ries-Wettbewerb wirbt dabei nicht nur für Annaberg-Buchholz als ‚Wiege des modernen Rechnens‘, sondern auch für das Image des Erzgebirgskreises in anderen Bundesländen und bei unseren tschechischen Nachbarn. Dafür gilt ihm ausdrücklich mein persönlicher Dank.“
Für sein langjähriges und umfassendes Engagement wurde Peter Haase mit dem „Ehrenamt des Monats Mai“ ausgezeichnet. Er erhielt von der Fachstelle Ehrenamt des Erzgebirgskreises eine Urkunde, die erzgebirgische Holzfigur „HelD“ (Helfen und Danken) sowie eine Einladung zum Großen Regionalpreis des Erzgebirgskreises ERZgeBÜRGER.
Um ein noch besseres Bild seiner Arbeit zu bekommen, hat Frank Wutzler von der Fachstelle Ehrenamt mit ihm ein ausführliches Interview geführt.
Mathematik zählt ja nicht unbedingt immer zu den Lieblingsfächern der Schülerinnen und Schüler. Wie sind sie dem als Mathematiklehrer bzw. als Mitverantwortlicher des Adam-Ries-Wettbewerbs begegnet?
Herr Haase: „Mit der Mathematik ist es ähnlich wie mit einem Instrument: Wenn man ein gewisses Maß an Fertigkeiten erlangt hat, fängt es an richtig Spaß zu machen. Auf dem Weg dahin war es mir immer wichtig Schülerinnen und Schülern Freude am Rechnen und im Umgang mit Zahlen zu vermitteln.“
Maß ist ein gutes Stichwort. Wie schwierig ist es das richtige Level bei der Aufgabenstellung zu einem mathematischen Kräftemessen wie dem Adam-Ries-Wettbewerb zu finden?
Herr Haase: „Den richtigen Schwierigkeitsgrad zu finden ist tatsächlich eine Gratwanderung. Einerseits müssen die Aufgaben geeignet sein, den oder die Beste zu ermitteln, andererseits muss auch die Motivation hochgehalten werden und man darf die Teilnehmenden nicht schon mit der ersten Aufgabe überfordern. Das lässt sich mit mehrstufigen Folgeaufgaben ganz gut lösen, indem der Anspruch von Teilaufgabe zu Teilaufgabe steigt. Das ist ein Grund, warum es für den Wettbewerb auch Gutachter gibt, die die Aufgabenstellungen prüfen. Eine weitere Herausforderung ist die Verbindung der Aufgaben zu Adam Ries. Ich habe stets Wert darauf gelegt Aufgabenstellungen zu finden, die sich an seinem mathematischen Erbe orientieren. Das ging mitunter soweit, dass ich historische Texte von ihm für den Wettbewerb in die heute gängige deutsche Sprache überführt habe, um die Aufgabenstellung verständlich zu machen.“
Der Aufwand und ihr langjähriges Engagement gehen weit über den Bildungsauftrag eines Lehrers hinaus. Woher kam die Motivation?
Herr Haase: „Mathematik und Begabtenförderung sind für mich von jeher eine Herzensangelegenheit. Ich mache das nicht für mich – der Kern meiner Motivation ist es junge Talente auf ihrem Weg zu unterstützen und ihnen die Freude an der Beschäftigung mit der Mathematik zu vermitteln.“
Hatten Sie Gelegenheit den Werdegang einzelner Talente zu verfolgen?
Herr Haase: „Das ist nur in Einzelfällen möglich, zumal der Wettbewerb vorrangig auf die Breitenförderung abzielt. Im Gedächtnis geblieben ist mir natürlich Lisa Sauermann, die damals bereits als Viertklässlerin am Adam-Ries-Wettbewerb teilgenommen und auf Anhieb gewonnen hat. In den Folgejahren hat sie fünf Gold- und eine Silbermedaille bei der Internationalen Mathematik-Olympiade geholt. Sie ist heute Assistenz-Professorin am Massachusetts Institute of Technology.“
Wie haben sich die Teilnehmerzahlen beim Adam-Ries-Wettbewerb in den letzten Jahren entwickelt?
Herr Haase: „Die Teilnehmerzahlen haben sich stabilisiert. Vor dem Hintergrund, dass die Zahl der Angebote an vergleichbaren Wettbewerben gestiegen ist, bewerte ich diese Entwicklung als durchweg positiv.“
Sie haben auch ein Buch zum Adam-Ries-Wettbewerb verfasst?
Herr Haase: „Buch trifft es nicht ganz. Es handelt sich um eine Sammlung von Aufgaben und Lösungen des Wettbewerbs aus den Jahren 1991 bis 2001. Mir war es wichtig, dass die Aufgabenstellungen nicht in Vergessenheit geraten und dokumentiert sind. Den Schülerinnen und Schülern gibt es Gelegenheit sich auf den Wettbewerb vorzubereiten. Ich wollte auch noch eine zweite Veröffentlichung für die Folgejahre machen, dafür war aber bisher einfach keine Zeit.“
Nach den ganzen Fragen: Gibt es von Ihrer Seite etwas, dass unbedingt noch gesagt werden müsste?
Herr Haase: „Ja. Ich möchte an dieser Stelle gern noch einmal eine Lanze für die Begabtenförderung brechen. Bildung ist eine der wenigen Ressourcen, die wir in Deutschland noch haben und deren Ausmaß wir beeinflussen können. Im Kern geht es darum Schülerinnen und Schüler für Bildung zu begeistern – diesen Auftrag gilt es auch an künftige Lehrergenerationen weiter zu geben. In diesem Bereich wird auch ehrenamtlich sehr viel geleistet aber irgendwann kommt man an einen Punkt, wo man auf finanzielle Unterstützung angewiesen ist.“