Ein „Saurier“ zieht um

09. April 2020
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Am Dienstag, dem 07.04.2020, war es soweit: Nach umfangreichen Vorarbeiten im Zuge der Erneuerung des Bergbaumuseums wurde in einer spektakulären Aktion eines der schwersten Exponate der Sammlung umgesetzt. Eine Teilschnittmaschine (TSM) mit einem Gewicht von 19 Tonnen wurde innerhalb des Hauses an einen neuen Standort gebracht. Künftig wird sie Besuchern im Anschauungsbergwerk einen Eindruck von der gewaltigen Arbeit unter Tage mit schwerem Gerät vermitteln.  

Die TSM ist eines von drei Geräten, die um 1983 an die SDAG Wismut, Bergbaubetrieb „Willi Agatz“ in Dresden, aus der Sowjetunion geliefert wurden. Zwei Exemplare existieren noch heute, wobei nur die Oelsnitzer Maschine auch äußerlich authentisch erhalten blieb. Der Einsatz erfolgte im Revier Döhlener Becken und sorgte für eine Steigerung der Produktivität in Vortrieb und Abbau. Es konnten Querschnitte des untertägigen Grubenbaues bis 15 Quadratmeter aufgefahren werden. Sicherheit wurde bei den Maschinen bereits großgeschrieben. Per Fernanzeige erfolgte eine Gasüberwachung die bei einer Konzentration von o,5 Prozent Methangasgehalt für ein selbsttätiges Abschalten der TSM sorgte. Somit  sollten schlimme Grubenunglücke, wie sie im Steinkohlenbergbau durch Methangasexplosionen eine beständige Gefahr darstellten, verhindert werden.  

Am 4. Februar 1988 nahm der damalige Direktor des Bergbaumuseums, Hans Richter, Kontakt mit dem seinerzeitigen Direktor des Bergbaubetriebes „Willi Agatz“ der SDAG Wismut, Lothar Rosenhahn, auf. Er bat um verschiedenste Maschinen und Ausrüstungen für die Darstellung des Steinkohlenbergbaus um Freital im Bergbaumuseum Oelsnitz. An erster Stelle stand der Wunsch nach einer TSM. Bei der SDAG Wismut war man diesem Ansinnen grundsätzlich positiv gesinnt, allerdings nach der Stilllegung des Bergwerks 1990. Am 7. Juni 1990 wurde schließlich der Auftrag an den Transportbetrieb der SDAG Wismut erteilt, die TSM von Freital nach Oelsnitz zu bringen.

Seitdem zählt sie zur Sammlung des Oelsnitzer Museums als Museum des sächsischen Steinkohlenbergbaus. Hier zeugt das Gerät vom Bergbau auf uranhaltige Steinkohle, sogenannte „Erzkohle“, im Revier Döhlener Becken. Vom Museumsteam wurde sie augenzwinkernd „Saurier“ getauft. Auf Grund ihrer Größe und ihres Gewichtes war ein Einbringen in das Anschauungsbergwerk bisher unmöglich. „Das haben wir immer etwas bedauert und konnten bisher nur versuchen, bildhaft zu erläutern, dass diese imposante Maschine eigentlich tief in der Erde zum Einsatz kam“, so Museumsleiter Jan Färber. Mit seinem Team hat er das neue Ausstellungskonzept erarbeitet, in dem auch die Umsetzung dieses Exponates vorgesehen ist. „Nur durch die derzeit laufende, umfassende Museumserneuerung bietet sich jetzt ein kleines Zeitfenster, um unseren ,Saurier‘ in das Anschauungsbergwerk umzusetzen. Das ist schon ein Glücksfall“, ergänzt er.

Dort, wo bisher die TSM stand, wird ersatzweise ein neuer Baukörper errichtet. „Dieser wird zwischen dem Förderturm und dem Werkstattgebäude quasi eingeschoben“, führt der Projektleiter des Sanierungsprojektes Bergbaumuseum Oelsnitz/Erzgebirge, Matthias Meyer, aus. Deshalb musste der bisherige Bau mit großer Vorsicht um die Teilschnittmaschine herum abgebrochen werden. Dazu wurde die Stahlfachwerkfassade von Hand abgetragen. Stahlträger und Ziegel wurden im Sinne des Erhalts historischer Bausubstanz geborgen. Als vorgesetzte Fassade werden sie am neuen Baukörper wieder erlebbar. Durch die vorgesehenen Schutzmaßnahmen ging der Gebäudeabbruch spurlos an dem „Saurier“ vorüber. „Logistisch war es eine bemerkenswerte Leistung, den erforderlichen Kran in den schmalen Bereich zwischen Werkstatt und Depotgebäude zu rangieren“, so Matthias Meyer. Bei den Vorbereitungen für den Kranstandort wurden im Untergrund alte Schächte und Kanäle gefunden, die für einen sicheren Stand des Kranes zuvor abgebrochen und verfüllt werden mussten. Zusammenfassend hat der Umzug des „Sauriers“ gut funktioniert. „Für den Neubau konnte nun endgültig Baufreiheit geschaffen werden“, fasst der Projektleiter die Aktion zusammen.

Nach der Sanierung und Modernisierung des Museums voraussichtlich im Jahr 2023 ist die Maschine dann am neuen Standort von Besucher*innen wieder zu bestaunen.

 
Technische Angaben zur Teilschnittmaschine

Bezeichnung:     Teilschnittmaschine GPKS
Hersteller:          Import UdSSR
Baujahr:             um 1983
Motor:                7 für verschiedene Baugruppen
Antriebsleistung: 55 kW (Schneidkopf)
                         20 kW (Einkettenförderer)
                         20 kW (Fahrwerk)
Gesamtleistung: 95 kW (175 kW mit Zusatzeinrichtungen bei 7 Motoren)
Spannung:         380, 500, 660 V Gleichstrom wahlweise
Geschwindigkeit:   6,8 m/min
Dienstgewicht:     19 to.

Bauliche Bestandteile:
-    Gewinnungsorgan mit Schneidkopf
-    Raupenfahrwerk
-    Ladeeinrichtung
-    Förderer
-    Steuereinheit
-    Absaugeinrichtung für Abwetter (bei dem Museumsexponat nicht angebracht)

 

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Abbildungen zur freien Verwendung

Abb01.:  Heiko Vieweger und Andreas Lange vom Bergbaumuseum entfernen die schützende Umhausung der Teilschnittmaschine vor dem Anrücken des Kranes. Foto: BBM/Jan Färber
Datei: Abb01-BBM_Oe-Umsetzung_TSM-Autor_J._Färber.JPG

Abb02.: Um die Maschine innerhalb der Gebäude an ihren neuen Standort zu transportieren, musste das Schwerlastteam zuerst den Weg freiräumen. Deshalb wird hier ein Bohrwagen mit einem Gewicht von 5 Tonnen aus dem Gebäude befördert. Foto: BBM/Jan Färber
Datei: Abb02-BBM_Oe-Umsetzung_TSM-Autor_J._Färber.JPG

Abb03.: Ein 100-Tonnen-Autokran hebt die 19 Tonnen wiegende Teilschnittmaschine an, um sie im 90-Grad-Winkel vor den Zugang zum Anschauungsbergwerk zu heben. Foto: BBM/Jan Färber
Datei: Abb03-BBM_Oe-Umsetzung_TSM-Autor_J._Färber.JPG

Abb04.: Dank der massiven Bauweise waren Aufnahmepunkte der Kranketten schnell gefunden, um die schwere Bergbaumaschine über den Boden schweben zu lassen. Foto: Landratsamt Erzgebirgskreis/ Katrin Stückrath
Datei: Abb04-BBM_Oe-Umsetzung_TSM-Autor_K._Stückrath.JPG

Abb05.: Fingerspitzengefühl ist beim Schwerlastteam gefragt, um den „Saurier“ Millimetergenau vor den Zugang zum Anschauungsbergwerk zu setzen. Große Herausforderung ist die enge Bebauung. Foto: BBM/Jan Färber
Datei: Abb04-BBM_Oe-Umsetzung_TSM-Autor_J._Färber.JPG

Abb06/Abb07.: Eine logistische Meisterleistung war es, den schweren, großen Kran zum Einsatzbereich zwischen den historischen Industriegebäuden zu steuern. Foto: BBM/Jan Färber
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Abb08.: Durch die Umsetzung der Teilschnittmaschine ist nun Platz für die Errichtung eines neuen Baukörpers geworden, der künftig die wesentlich bessere museale Erschließung der Schachtgebäude ermöglicht sowie Serviceeinrichtungen für Besucher beherbergt. Grafik: IPRO-Consult/ KEM
Abb08-BBM_Oe_Sanierung_Perspektive Nordwest-Quelle_IPRO-KEM.JPG
 

Weitere Informationen zum Bergbaumuseum Oelsnitz: https://www.bergbaumuseum-oelsnitz.de/start.html

 

PM/SJ

 

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