Geldanlage bei der insolventen Greensill Bank AG erneut diskutiert
Der Kreis- und Finanzausschuss des Kreistages des Erzgebirgskreises hat sich gestern (06.04.2021) erneut mit der Geldanlage bei der insolventen Greensill Bank AG beschäftigt, in deren Folge dem Erzgebirgskreis der Verlust einer Geldanlage in Höhe von bis zu 5 Mio. EUR droht. Auf Antrag der SPD-Fraktion kam der Ausschuss des Kreistages zu einer Sondersitzung zusammen. Alle Kreistagsfraktionen nutzten diesen Termin für einen intensiven Meinungsbildungsprozess nicht nur zu dieser Geldanlage, sondern auch zur künftigen Ausrichtung des Liquiditäts- und Vermögensmanagements des Erzgebirgskreises insgesamt.
Eingangs hatte die Landkreisverwaltung v. a. in Person des Beigeordneten des Landrates des Erzgebirgskreises, Andreas Stark, die zwischenzeitlich aufgekommenen Fragen der Damen und Herren Kreisräte umfassend beantwortet. In diesem Zusammenhang wurde ebenso zum Stand der internen Aufarbeitung der Anlageentscheidung, zur Entwicklung einer Anlagerichtlinie für künftige Geldanlagen sowie zur weiteren rechtlichen Vorgehensweise informiert.
Die wichtigsten Fragen im Überblick
In welche Finanzanlage bei der Greensill Bank AG hatte die Landkreisverwaltung wann investiert?
Es wurden für den Zeitraum 14. Februar 2020 bis 28. Oktober 2021 5 Mio. Euro aus den allgemeinen liquiden Mitteln des Landkreises auf einem festverzinslichen Festgeldkonto (sogenanntes „Termingeld“) mit einem Zinssatz von 0,15% angelegt.
Warum investierte der Landkreis in Finanzanlagen der Greensill Bank AG?
U. a. stellen hohe Mittelübertragungen im Zusammenhang mit Verzögerungen bei Investitionen große Herausforderungen bei der Liquiditätssteuerung dar. Mit Blick auf die Jahresabschlüsse der letzten Jahre „parken“ allein dadurch Mittel von jeweils mehr als 7 Mio. Euro auf Konten des Landkreises. Zudem erhält der Landkreis immer mehr Mittel im Vorfeld, die bis zur Verwendungsfreigabe angelegt werden müssen, so z. B. die Vorauszahlung der Mittel für den Breitbandausbau (2019 in Höhe von 5 Mio. Euro; zum Jahresabschluss 2020 noch 4,581 Mio. Euro nicht verwendet) oder das so genannte Vorsorgevermögen in Höhe von 4,271 Mio. Euro.
Eine Herausforderung sind außerdem hohe Zahlungszuflüsse und -abflüsse, die zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgen. Im Ergebnis dreier im Februar 2020 vorgenommenen Termingeldausschreibungen mit unterschiedlicher Laufzeit wurde u. a. die o. g. Festgeldanlage bei der Greensill Bank AG zur Vermeidung von Negativzinsen getätigt.
Die Landkreisverwaltung versuchte mit ihrer Entscheidung zudem den gesetzlichen Grundlagen zur Vermögensverwaltung von Kommunen gerecht zu werden. So fordert der Gesetzgeber:
„Das Vermögen der Gemeinde soll unter Berücksichtigung seiner Bedeutung für das Wohl der Allgemeinheit ungeschmälert erhalten bleiben.“ (§ 89 Abs. 1 SächsGemO)
„Bei Geldanlagen ist auf eine hinreichende Sicherheit zu achten; sie sollen einen angemessenen Ertrag bringen.“ (§ 89 Abs. 3 Satz 2 SächsGemO)
In Zeiten von Verwahrentgelten und „Minus-Zinsen“ besteht eine große Problematik darin, die Abwägung zwischen den beiden Punkten „Sicherheit“ und „angemessener Ertrag“ immer wieder sachgerecht vorzunehmen.
Was wurde im Hinblick auf das Risikomanagement unternommen?
Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses verfügte die Greensill Bank AG über ein A- Rating („hohe Qualität“) der Rating-Agentur Scope. Dies wurde im Angebot zur Festgeldanlage vom Finanzdienstleister mitgeteilt und auch Unterlagen dazu zur Verfügung gestellt. Die Rating-Agentur Scope ist von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) zertifiziert.
Das o. g. Rating der Greensill Bank AG lag im Bereich „Hohe Qualität“ (Rating-Agentur Scope: Rating A-, Ausfallwahrscheinlichkeit 0,11 %). Im September 2020 wurde die Bank auf „erhöhte Qualität“, bzw. „befriedigende Bonität“ (Rating-Agentur Scope: Rating BBB+, Ausfallwahrscheinlichkeit 0,12 %) herabgestuft (Downrating). Bei einer Ausschreibung am 17.02.2021 wurde die Greensill Bank AG dennoch noch von Maklern angeboten und verschiedene Kommunen legten auch nach dem Downrating noch dort an.
Welche alternativen Anlageoptionen wurden geprüft?
Im Zuge der Termingeld-Ausschreibung im Februar 2020 wurden verschiedene Kreditinstitute bzw. Vermittler um Abgabe eines Angebots gebeten. Aus dem Bereich der öffentlich-rechtlichen Geldinstitute wurde kein Angebot, von Vermittlern wurden aus dem Bereich der Privatbanken insgesamt vier Angebote abgegeben. Aus den vorliegenden Angeboten wurde letztlich jenes der Greensill Bank AG ausgewählt, da diese Bank als einzige ein akzeptables Rating einer zertifizierten Ratingagentur besaß. Zudem wurde das Angebot einer anderen Bank aufgrund ihres Gerichtsstandes außerhalb der europäischen Union ausgeschlossen.
Wie geht es jetzt weiter?
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistung (BaFin) hat am 3. März 2021 gegenüber der Greensill Bank AG wegen drohender Überschuldung ein Veräußerungs-und Zahlungsverbot erlassen. Das Moratorium wurde seitens der BaFin angeordnet, um die Vermögenswerte in einem geordneten Verfahren zu sichern. Am 16. März 2021 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Greensill Bank AG eröffnet. Die Einlage des Erzgebirgskreises ist, anders als die von Privaten, nicht abgesichert. Es muss daher befürchtet werden, dass die angelegten Gelder ganz oder teilweise verloren gehen.
Die Landkreisverwaltung prüft derzeit rechtliche Möglichkeiten gegen verschiedene potentielle Anspruchsgegner vorzugehen. Zur Diskussion stehen u. a. mögliche Schadenersatzklagen oder die Beteiligung an Sammelklagen gemeinsam mit anderen betroffenen Kommunen bzw. Ländern. Zudem soll eine Anlagerichtlinie für den Erzgebirgskreis erarbeitet werden, die am 07.07.2021 dem Kreistag des Erzgebirgskreises zur Beratung und Beschlussfassung vorgelegt werden soll.
Wie sind die weiteren liquiden Finanzmittel des Erzgebirgskreises angelegt?
Die vorhandenen Geldanlagen verteilen sich auf insgesamt 12 Finanzinstitute, davon zwei Drittel einlagengesichert (bei Sparkassen, Raiffeisenbanken sowie einer Landesbank und einer Lebensversicherungsgesellschaft) und ein Drittel bei vier Privatbanken.
Welche Veränderungen strebt der Erzgebirgskreis bei seinem Portfoliomanagement vor dem Hintergrund der Insolvenz der Greensill Bank AG an?
Es wird derzeit geprüft, ob und ggf. zu welchen Konditionen die Anlagen bei den Privatbanken, die nicht der Einlagensicherung unterliegen, vorzeitig aufzulösen.
Zur Diskussion steht auch die Minimierung des Bestandes an liquiden Mitteln im Kontext geringerer Kreditaufnahmen, wobei das Risikos späterer Liquiditätsengpässe in Kauf genommen werden müsste.
Nächste Sitzung des Kreis- und Finanzausschusses bereits Ende April geplant
Abschließend wurde vereinbart, dass sich der Kreis- und Finanzausschusses bereits Ende April erneut mit den Themen Geldanlage und Vermögensmanagement sowie zur insolvenzrechtlichen Aufarbeitung der Anlage bei der Greensill Bank AG befassen wird.
Weitere Informationen und weiterführendes Material zur jüngsten Sitzung des Kreis- und Finanzausschusses sowie in Kürze auch zur nächsten Sitzung findet sich wie gewohnt im Rats- und Bürgerinformationssystem.
SP