Image im Eimer oder „Hammer Perspektiven“

07. Juni 2024
Neuigkeiten

Regionalkonferenz Erzgebirge setzt Impulse für die Zukunft der Region - Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Erzgebirge, Matthias Lißke, in den Ruhestand verabschiedet.

Digitalisierung und Automatisierung, Dachmarke und Zuwanderung: auf den Punkt gebracht, sind das die Fakten, in denen Gäste der Regionalkonferenz Erzgebirge am 05.06.2024 Chancen für die Region sehen. Das wurde in vier Podiumsdiskussionen deutlich, die im Fokus der Veranstaltung im Volkshaus in Thum standen. Organisiert vom Regionalmanagement Erzgebirge zog die Konferenz unter dem Motto „Hammer Perspektiven?!“ über 250 Teilnehmer an, darunter führende Unternehmer, Kommunalpolitiker und Vertreter aus Verwaltung und Institutionen. Die Konferenz zielte darauf ab, positive Impulse für die Region zu setzen und zugleich realistische Bedingungen und Herausforderungen kritisch zu beleuchten. Facettenreich wurden die zentralen Themen Demokratie, Demografie, Digitalisierung und Dekarbonisierung diskutiert. Die Diskussionen zeigten schließlich, dass diese Punkte ineinandergreifen und nicht losgelöst voneinander betrachtet werden dürfen.

Rico Anton, Landrat des Erzgebirgskreises, unterstrich zur Begrüßung das Ansinnen der 7. Regionalkonferenz, die seit 2001 stattfinden: „Mit der Konferenz verfolgen wir das Ziel, eine neue Periode in der Ausrichtung der inhaltlichen Arbeit in der Region mit relevanten Partnern vorzustellen und zu diskutieren. Unter dem Titel ‚Hammer Perspektiven!?‘ setzen wir uns kritisch mit den grundlegenden Herausforderungen im aktuellen Transformationsprozess der Region auseinander.“ Gast war auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer: „Das Erzgebirge ist eine der stärksten Industrieregionen Sachsens. Es ist beeindruckend, wie sich hier untergehakt wird und man gemeinsam darüber spricht, was für die Wirtschaft und die Menschen des Erzgebirges wichtig ist. In den vergangenen 30 Jahren wurde die Region mit Zuversicht und Mut gestaltet. Wir werden diesen Weg gemeinsam gehen, um das Erzgebirge als lebenswerten Raum zu erhalten und weiter auszubauen.“ Symbolisch dafür bekam der Ministerpräsident die Dachmarke Erzgebirge überreicht, die künftig in der Staatskanzlei in Dresden an die Region und ihre besonderen Herausforderungen erinnern soll.

 

Image im Eimer?

Die Keynote „Image im Eimer. Warum der Osten eine neue Erzählung braucht“ von Joerg G. Fieback, Geschäftsführer der zebra Group GmbH, brachte die Notwendigkeit eines positiven Images auf den Punkt. „Wir erscheinen in einem braunen Licht, auch weil die Berichterstattung einseitig ist. Das erzeugt Skepsis gegenüber Firmen als Auftragnehmer und Arbeitgeber. Es sind Fakten, die uns in unserer Entwicklung limitieren. Wir brauchen Zuzug, aber Familien fragen sich, ist das ein lebenswerter Ort?“ Er appellierte daran, dass das Engagement aller gefragt sei und jeder seine individuellen Möglichkeiten nutzen soll, um Haltung zu zeigen und Position zu beziehen. Thematisiert wurde in dem Zuge der Beitritt von ersten Unternehmen zur „Wirtschaftsinitiative für Demokratie und Vielfalt“. Diese neue Initiative, die von Unternehmen aus der Region Chemnitz und dem Erzgebirge ins Leben gerufen wurde, setzt ein starkes Zeichen für Weltoffenheit und Toleranz. Zu den Unternehmen, die sich der Initiative bereits angeschlossen haben, gehören bisher Auerhammer Metallwerk GmbH, Porsche Werkzeugbau GmbH, HENKA GmbH, IDT Industrie- und Dichtungstechnik Werk Kupferring GmbH, Mennekes Elektrotechnik Sachsen GmbH und die Wirtschaftsförderung Erzgebirge GmbH.

 

Mehr wert als eine Randnotiz: Die positiven Beispiele der Region

Die große Diskrepanz zwischen dem Image der Region und der eigentlichen Realität ist offensichtlich. Eine vom Regionalmanagement Erzgebirge beauftragte Imageanalyse ergab im Jahr 2022, dass 48 Prozent der Befragten das Erzgebirge mit schöner Natur, 32 Prozent mit Volkskunst, aber nur 2 Prozent mit dem Thema Industrie verbinden – und das, obwohl die Region reich an leistungsfähiger Industrie ist. Dr. Peggy Kreller, stellvertretende Geschäftsführerin der Wirtschaftsförderung Erzgebirge GmbH und Projektleiterin des Regionalmanagements Erzgebirge betonte in der Podiumsdiskussion zu „Demokratie und Image“, dass die Region endlich davon wegkommen muss, Weltmeister im Tiefstapeln zu sein, sondern mehr innovative Projekte nach außen tragen sollte. Ingo Seifert, Bürgermeister der Stadt Schneeberg, ergänzte: „Wir müssen Wissensdefizite abbauen und andere Meinungen anhören und akzeptieren. Problematisch ist auch, dass medial oft nur das Negative berichtet wird, während gute Dinge für ein positives Image nur eine Randnotiz bleiben.“ Deutlich wurde: es gibt viele erfolgreiche Unternehmen der Region, mit denen man zu wenig offensiv nach außen tritt. Henry Sobieraj, Geschäftsführer der Nickelhütte Aue GmbH, hob hervor: „Nur wenn wir darüber reden, wird sich das Bild ändern. Und wir sollten flexibler sein, Traditionen manchmal ein bisschen aufweichen. Es ist notwendig, sich auf Veränderungen einzustellen, denn wir werden Menschen von außen in den nächsten 25 Jahren brauchen.“ Die gemeinsame Dachmarke ist ein wichtiger Schritt, um künftig die Marke Erzgebirge positiv nach außen zu positionieren und Zuwanderung zu generieren. Die Nickelhütte Aue gehörte zu den ersten Markenpartnern – inzwischen sind es über 100.

 

Digitalisierung, Automatisierung, Zuwanderung: Lösungen für das demografische Problem

Die Diskussion zur Demografie, moderiert von Jan Kammerl, stellvertretender Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Erzgebirge GmbH, beleuchtete die tiefgreifenden demografischen Herausforderungen im Erzgebirge. Auf zwei Aussteiger aus dem Berufsleben folgt rein statistisch nur ein Einsteiger. Seit 2018 gibt es einen jährlichen Rückgang an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von 1.000 Personen pro Jahr. Fachkräfte werden dringend gebraucht. Und trotz der Not investierte das Unternehmen HBC-radiomatic GmbH erst kürzlich in den Standort Erzgebirge. Geschäftsführerin Dr. Friederike Brendel: „Wir haben einen hohen Qualitätsanspruch. Wir schätzen im Erzgebirge den hohen Kenntnisstand und die Genauigkeit der Mitarbeiter.“ Paulinus Pauly, Geschäftsführer Mennekes Elektrotechnik Sachsen GmbH, verdeutlicht das Potential der Region: „Als Industriebetrieb sehen wir absolute Chancen in drei Punkten: Digitalisierung, Automatisierung und Zuwanderung.“ Pragmatisch äußerte sich Oliver Knauf, Geschäftsführer der Omeras GmbH: „Entweder wir müssen mehr Kinder bekommen oder eben Zuzug ermöglichen. Dafür brauchen wir eine attraktive Region. Wir müssen etwas anbieten, damit sich Mitarbeiter nach der Arbeit wohlfühlen. Wir haben zum Beispiel eine internationale Firmenfußballmannschaft und bieten Mitarbeiterwohnungen für unsere Azubis.“

 

Digitalisierung: Hemmnisse sind vielschichtig

Mit der Digitalisierung im ländlichen Raum sind viele Chancen gegenüber Ballungsräumen verbunden, um an Attraktivität aufzuholen. Das betrifft Jobs ebenso wie Mobilitätsangebote und medizinische Dienstleistungen. In der Diskussionsrunde zur Digitalisierung wurden die Chancen und Herausforderungen der digitalen Transformation thematisiert. Dr. Martin Benedict, Verantwortlicher für Digitalisierung in der Smart City Zwönitz, betonte: „Digitalisierung ist nicht nur der Einsatz von Technologien. Es reicht nicht, dass wir uns ein Werkzeug anschaffen und den Rest genauso machen wie bisher.“ Jörg Härtel, Geschäftsführer der IPlaCon GmbH, ergänzte: „Die meisten Unternehmen haben Soft- und Hardware auf dem neuesten Stand und sind vernetzt. Dann aber kommt der Knackpunkt, die analoge Welt in eine gute digitale zu wandeln. Sätze wie ‚Das haben wir schon immer so gemacht‘ sind die größten Hemmnisse.“ Cathleen Fleischer, Geschäftsführerin der LF Elektro GmbH, setzt mit ihrem Team als Dienstleister und Handwerker Digitalisierungsprojekte in Unternehmen um und gab noch einen weiteren Fakt zu Bedenken, der vor allem kleine Firmen hemmt: Sie betonte: „Unsere Erfahrung zeigt, dass der Prozess oftmals an der Liquidität scheitert und dann in der Priorität nach hinten rutscht.“

 

Industrie neu denken in der Ära der Energiewende

Die Diskussion zur Dekarbonisierung beleuchtete die Herausforderungen der Energiewende. Fakt ist: Der Anteil erneuerbarer Energien lag in Deutschland im Jahr 2023 erstmals bei über 50 Prozent. Das ist positiv, gleichsam bleibt der Wandel aber auch ein Kostenfaktor, der energieaufwändigen Industrieunternehmen Kopfzerbrechen bereitet. Die GL Gießerei Lößnitz hat sich vorgenommen bis 2045 klimaneutral zu agieren. Geschäftsführer Max Jankowsky erläuterte: „Das ist eine riesige Herausforderung, denn wir stehen vor einer großen Elektrifizierung, aber die Umsetzung ist schwierig.“ Oftmals ginge es de Unternehmern nicht darum, Entwicklungen bewusst zu blockieren – vielmehr stoße man an physikalische Grenzen. „Unser Strukturwandel heißt Industrie neu denken.“ Karl Lötsch, Geschäftsführer von HZwo e.V., führte das Thema Wasserstoff als eine Energieressource mit Zukunft ins Feld und erläuterte den Stand des geplanten Wasserstoffzentrums in Chemnitz: „Wasserstoff kann einen wichtigen Teil einnehmen, mit dessen Technologien Anlagenbauer, Maschinenbauer und Softwareentwickler künftig in der Region Geld verdienen können.“ Als Hersteller von elektrischer Messtechnik profitiert von der Energiewende Gantner Instruments Environment Solutions GmbH von der Energiewende. Man wolle weiter expandieren, 2025 den Umsatz verdoppeln. Geschäftsführer Jörg Scholz betonte: „Wir müssen uns alle auf erneuerbare Energien einstellen. Gegen Windmühlen ankämpfen macht keinen Sinn.“

 

Wirtschaftsförderer und Botschafter des Erzgebirges in Ruhestand verabschiedet

Im Anschluss an die Podiumsdiskussionen fasste Matthias Lißke, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Erzgebirge GmbH, den diskussionsreichen Nachmittag zusammen. Zudem wurde er nach fast 35jährigem Wirken als Wirtschaftsförderer für die Region Erzgebirge in den Ruhestand verabschiedet und seine Nachfolgerin Dr. Peggy Kreller vorgestellt. Matthias Lißke betont: „In all den Jahren ist das Erzgebirge als Region zusammengewachsen wie kaum eine andere Region in Sachsen und hat einen guten Weg im Imagewandel vom verträumten Weihnachtsland zur lebenswerten Industrieregion bereits hinter sich.“ Mit Nachdruck appellierte er an die Menschen im Erzgebirge, dass das Erzgebirge unbedingt Zuwanderung braucht. „Das ist wirtschaftlich existentiell. Aber das ist ein hartes Geschäft, dafür brauchen wir viel Offenheit.“ Das Erzgebirge sei mit seinem Welcome Center Vorreiter in Sachsen. Investoren kämen noch immer mit der Überzeugung in die Region, dass hier etwas vorwärts geht. „Aber Fachkräftesicherung wird künftig der Schwerpunkt für den künftigen Wohlstand in der Region sein. Die Digitalisierung und Automatisierung können Arbeitskräfte ersetzen und sichern Wettbewerbsfähigkeit. Der Erfolg liegt aber darin, in allen Prozessen von Demokratie bis Dekarbonisierung die Menschen mitzunehmen.“ Dass die Region künftig zu den Gewinnern gehört, ist sich der Experte für die Wirtschaft im Erzgebirge sicher.

 

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