Landrat mahnt desolaten Zustand der Staatsstraßen im Erzgebirgskreis an
Der Zustand der Staatsstraßen im Erzgebirgskreis verschlechtert sich immer mehr. Die Landkreisverwaltung sieht die drohende Gefahr, dass es zu weiteren Verkehrseinschränkungen wie Geschwindigkeitsreduzierungen oder Tonnagebegrenzungen kommt - im Einzelfall sind auch Sperrungen von Straßenabschnitten nicht mehr auszuschließen.
Zu diesem Ergebnis kam das Referat Straßen bei einer gemeinsamen mehrtägigen Streckenbefahrung mit dem Landesamt für Straßenbau und Verkehr (LaSuV), welches im Auftrag des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (SMWA) für die Erneuerung bzw. Erhaltung der Bundes- und Staatsstraßen im Freistaat Sachsen zuständig ist. Auf Drängen der Landkreisverwaltung fand endlich und erstmalig seit 2018 wieder eine gemeinsame Befahrung mit einem Vertreter der LaSuV-Niederlassung Zschopau statt.
Aufgrund dessen wendet sich Landrat Frank Vogel – nach zuletzt im April 2019 - erneut in einem Schreiben an den zuständigen Verkehrsminister Martin Dulig.
„Um den Termin im Ergebnis zu konstatieren, in Ermangelung von Mitteln gibt es dieses Jahr wohl kein wirkliches Bauprogramm auf Staatsstraßen, infolge dessen sich der Erhaltungsstau weiter vergrößert, welches mein Haus mit dem seitens des Freistaates zur Verfügung gestellten Unterhaltungsbudget nicht ansatzweise auffangen kann.“ In 2020 erhielt der Erzgebirgskreis für Bundesstraßen 7.363 Euro/km (ohne Lohnzuschuss), für Staatsstraßen hingegen nur 5.927 Euro/km. Bei rund 588 Betreuungskilometer von Staatsstraßen im Erzgebirgskreis ergibt sich hieraus ein defizitärer Unterscheidungsbetrag in Höhe von 844.368 Euro bei im Wesentlichen gleichen Unterhaltungsansprüchen.
Landrat Vogel: „Ohne Berücksichtigung der besonderen geografischen Situation des Erzgebirgskreises, ohne Berücksichtigung der allgemeinen Preisentwicklung und ohne Beachtung des mit Abstand schlechtesten Ausbau- und Erhaltungszustandes der Staatsstraßen im landesweiten Vergleich, bewegt sich die Höhe der Ausreichungen seit 2012 nahezu auf dem gleichen Niveau.“
Nach Aussage des LaSuV stehen für dieses Jahr noch wohl 800.000 Euro zur Verfügung, wo jedoch zum einen bereits Mittelvorbindungen aus dem Vorjahr enthalten sind. „Dass die benannten 800.000 Euro für den Bereich des Erzgebirgskreises nicht mal ansatzweise bestandssichernd sein können, liegt offensichtlich auf der Hand, allerdings reichen jene ebenso wenig zur Beseitigung der Grobschäden“, so Landrat Vogel in seinem Schreiben an Staatsminister Dulig. „Die Belange des Straßenbetriebsdienstes sowie die Sicherung der gemeinsamen Er- und Unterhaltung von Bundes- und Staatsstraßen werden offensichtlich nicht wirklich wahrgenommen bzw. erfahren augenscheinlich nicht wirklich die gebotene politische Priorität. Letztlich scheint die Straßenbauverwaltung des Freistaates aufgrund fehlender Mittelzuweisungen nicht in der Lage zu sein, das zwingend Gebotene zu veranlassen.“
Die Straßenbauverwaltung des Erzgebirgskreises ist als zuständiger Straßenbaulastträger für Kreisstraßen verantwortlich. Bundes- und Staatsstraßen liegen in Verantwortung des Freistaates Sachsen. Die Straßenbauverwaltung des Erzgebirgskreises hat für diese Straßen „lediglich“ den gesetzlichen Auftrag zur Unterhaltung, verbunden mit der Gewährleistung der Verkehrssicherheit.
Der Erzgebirgskreis sieht sich im Rahmen der Unterhaltungsverpflichtung mehr und mehr gezwungen die Arbeiten auf vor allem Staatsstraßen zunehmend auf das absolute Minimum zu begrenzen - leider mit der Konsequenz des weiteren Verfalls. Unter Umständen kann dies auch zu Verkehrseinschränkungen führen, wie Geschwindigkeitsreduzierungen, Tonnagebegrenzungen und Verkehrsraumeinziehungen, sollte die Verkehrssicherheit nicht mehr gewährleistet werden können. Im Einzelfall sind Sperrungen von Straßenabschnitten nicht mehr auszuschließen.
Exemplarisch betrifft dies unter anderem die folgenden fünf Straßenabschnitte von Staatsstraßen (S), wo aufgrund des immensen Verschleißes zwingend Erneuerungs- bzw. Erhaltungsmaßnahmen durch den Freistaat Sachsen notwendig wären. Die Straßenbauverwaltung des Erzgebirgskreises kann nur noch Einzellochflickungen im einfachen Verfahren realisieren.
S 231 zwischen OT Wilischthal und Ortsteil Venusberg (Kalköfen)
S 259 Ortslage Gornsdorf
S 272 im Bereich Schwarzenberg bis Johanngeorgenstadt
S 266 Sehmatal OT Neudorf – OT Cranzahl
S 218 Ortslage Mildenau bzw. Bereich Ortslage Steinbach – Reitzenhain
Landrat Vogel fordert Staatsminister Dulig u. a. auf, „sich im Rahmen der anstehenden Haushaltsverhandlungen für den Doppelhaushalt 2023/2024 für auskömmliche Mittelansätze einzusetzen, sei es im Bereich der Staatsstraßenerhaltung, im Hinblick auf die Auskömmlichkeit von Zuweisungen für Unterhaltungsmaßnahmen oder auch im Bereich der Förderung des kommunalen Straßenbaus“.
Trotz alledem konnte bislang die Verkehrssicherheit (einschließlich des Winterdienstes) insbesondere im Bereich von Staatsstraßen mit teils immer größer werdenden Einschränkungen bei – bzw. bis hin zum Verzicht von – die Straßensubstanz erhaltenden, baulichen Maßnahmen gewährleistet werden. All dies jedoch unter Inkaufnahme von unwirtschaftlichen und eigentlich der Vergangenheit angehörenden Behelfslösungen – Stichwort „Schaufelflickungen“.
Hintergrund:
Im Wesentlichen gibt es vier Straßenkategorien: Die Bundes- und Staatsstraßen in Zuständigkeit des Freistaates Sachsen für Erneuerung und Erhaltung, die Kreisstraßen in Zuständigkeit des Erzgebirgskreises und die Gemeindestraßen, wofür die Städte und Gemeinden die zuständigen Straßenbaulastträger sind.
Für den Bereich der Unterhaltung einschließlich der Verkehrssicherungspflicht ist der Erzgebirgskreis für 316 Betreuungskilometer Bundesstraßen, 588 Betreuungskilometer Staatsstraßen und 334 Betreuungskilometer Kreisstraßen verantwortlich.